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Like a Complete Unknown

Gute Kinoerfahrung, braver Zeitgeist

LIKE A COMPLETE UNKNOWN sieht gut aus, hat gute Darsteller und erzählt seine Geschichte gut, interessiert sich aber weder für Dylans Begeisterung für Folk- und Blues-Songs der zwanziger und dreißiger Jahre noch für sein Engagement in der Bürgerrechtsbewegung.

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LIKE A COMPLETE UNKNOWN ist ein „guter“ Film, sieht gut aus, hat gute Darsteller (herausragend: Edward Norton als Pete Seeger) und erzählt seine Geschichte gut. Wer Bob Dylan gar nicht kennt, erhält eine Art Einführung in die Greatest Hits von 1961-65, wer Joan Baez nicht kennt, lernt das erste Joan Baez-Album kennen. Wer A COMPLETE UNKNOWN sehen will, sieht den entweder wegen Timothée Chalamet, oder wegen Dylan, oder weil James Mangolds RING OF FIRE auch eine ganz gute Einführung in Johnny Cashs Musik war, oder weil der Film schmissig genug für einen unterhaltsamen Kinoabend ist. Als Kinoerfahrung funktioniert der Film für alle.

James Mangold erzählt zwei Geschichten. Der erste Erzählstrang handelt davon, wie sich Bob Dylan (Chalamet) von den Zwängen und Dogmen der Folkmusik-Szene befreit und beginnt, mit einer Rockband aufzutreten, was einigen beim Newport Folk Festival nicht gefiel. Die zweite Geschichte erzählt von Dylans Beziehungen zu der Künstlerin und Aktivistin Suze Rotolo, die im Film Sylvie Russo (Elle Fanning) heißt, und zu der Sängerin und Aktivistin Joan Baez (Monica Barbaro). Rotolo ist zusammen mit Dylan auf dem Cover von Dylans Album „The Freewheelin‘ Bob Dylan“ abgebildet. Joan Baez war bereits erfolgreich, als Dylan in New York auftauchte.

James Mangold weicht damit von der klassischen Erzählweise eines Rock-Biopics ab, das eigentlich nach dem Schema Aufstieg-Krise-Absturz-Triumph funktioniert, siehe RING OF FIRE, ROCKET MAN, BOHEMIAN RHAPSODY, BETTER MAN usw. Mangolds Film erzählt Dylans frühe Karriere stattdessen als eine Emanzipationsgeschichte, bei der allerdings persönliche Beziehungen auf der Strecke bleiben. Dylans Beziehungen zeigt er als narzisstische Irrläufer, bei denen Dyland zuerst Suze sitzen lässt. Das Ende der Beziehung zu Joan Baez kommt nicht vor. Baez und Dylan sind zwar kein Paar geblieben, haben aber noch lange zusammen gearbeitet und sprechen sehr freundlich über einander. Dylan selbst hat darauf bestanden, den Namen von Suze zu ändern, weil sie „eine sehr private Person“ sei.

Ein Problem des Films ist, dass die Darstellenden alle zu alt sind. Zum Zeitpunkt des Drehs war Chalamet 29, Fanning 26, Barbaro 30. Als Bob Dylan nach New York zog, war er 19, Baez war ebenfalls 19, Rotolo war 21. Die historische Geschichte spielt unter sehr jungen Leuten, nicht unter Erwachsenen, die es besser wissen müssten. Mit 19 fällt man durch die Welt und hat nicht die geringste Idee davon, was eine Beziehung überhaupt ist, Hauptsache alle Beteiligten sind irgendwie hübsch. Mit Ende Zwanzig, Anfang Dreißig ist das vorbei, und alle sind mindestens einmal auf die Nase gefallen – oder eben nicht.

Das andere Problem ist, dass dieser Film-Dylan nicht besonders interessant ist. Die Songs haben ihre eigene Kraft, und die Szenen in der Dylan Joan Baez zum ersten Mal „Blowin‘ in the Wind“ oder Pete Seeger zum ersten Mal den Anfang von „Girl from the North Country“ vorspielt, setzen ganz auf die Kraft der Musik und der Texte, auch wenn Chalamets Gesang nicht annähernd die durchdringende Autorität von Dylan hat. Das funktioniert, aber die Songs kommen aus dem Nichts, und Dylans erste Platte wird im Film mit den Worten, „Ach, das waren hauptsächlich Coverversionen“ vom Tisch gefegt.

Coverversionen waren aber eine Kernidee von Folk, und Dylans Cover waren auch für die damalige Zeit speziell. „Blowin‘ in the Wind“ wurde durch die seifige Version von „Peter, Paul and Mary“ zum Hit, Dylan selbst coverte Blind Lemon Jefferson und andere Vorkriegs-Blues-Musiker. Dylans Fähigkeit, auf der Grundlage der Tradition neue Songs zu schreiben, die in seiner Generation resonierten – „Blowin‘ in the Wind“ beruht auf „No more Auction Block“, bekannt in Aufnahmen von Odetta – beruhte auf seiner archivarischen Leidenschaft, die man spätestens in seiner Radioshow „Theme Time Radio Hour“ (2006-2009) sehr deutlich ausgebreitet bekam. Viele seiner Alben aus den letzten Jahren sind ebenfalls Ausdruck von Dylans Interesse für die Geschichte der amerikanischen Musik.

So wie Mangold Dylans Begeisterung für Folk- und Blues-Songs der zwanziger und dreißiger Jahre nicht interessiert, so wenig interessiert ihn Dylans Engagement in der Bürgerrechtsbewegung. Es kommt vor, aber vor allem wegen des Engagements der Frauen, Joan und Sylvie/Suze. Weshalb Dylans Auftritt beim „March on Washington for Jobs and Freedom” am 28. August 1963 wichtig war, worum es da ging, das ist alles egal. Schließlich geht es um die Geschichte eines jungen Mannes, der sich von diesen fürchterlichen, heuchlerischen, dogmatischen linken Spinnern befreit. LIKE A COMPLETE UNKNOWN ist ein konservativer Film, dessen Gesichte nicht stimmt. Die Auslassungen sollen erzählen, wie singulär Dylan als Künstler war, aber auch singuläre Künstler*innen stehen in Traditionen.

Über Dylan gelangt man immer noch relativ schnell zu rasend aufregender, sehr alter Musik, etwa von Blind Willie McTell, Blind Lemon Jefferson oder Furry Lewis, aber auch zu einst vergessenen Songs von Zeitgenoss*innen Dylans. Es ist kein Zufall, dass Dylan in seiner Autobiografie „Chronicles“ auf der ersten Seite Karen Dalton erwähnt, und kurz darauf wenige Indie-Filme ohne ihren Song „Something on your Mind“ ausgekommen sind. Auch nachdem Dylan elektrisch verstärkt spielte, gab es politische Songs wie „Hurricane“ oder zuletzt „Murder Mystery Ballad“ (2020), und manche politischen Folksongs entfalteten erst mit einer riesigen Band im Hintergrund die nötige Wucht, etwa „The Lonesome Death of Hattie Caroll“ in der Aufnahme von der „Rolling Thunder“-Tournee 1975.

Seltsam ist übrigens auch, dass im ganzen Film keine einzige Droge konsumiert wird. Dylan war abwechselnd bekifft und/oder auf Amphetaminen. In Mangolds Film spiegelt sich ein sehr braver, puritanischer Zeitgeist.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: A Complete Unknown
USA 2024, 141 min
Genre: Biografie, Drama, Musikfilm
Regie: James Mangold
Drehbuch: Jay Cocks, James Mangold
Kamera: Phedon Papamichael
Verleih: Walt Disney
Darsteller: Timothée Chalamet, Elle Fanning, Edward Norton, Boyd Holbrook, Monica Barbaro, Scoot McNairy
Kinostart: 27.02.2025

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Like a Complete Unknown

(A Complete Unknown) | USA 2024 | Biografie, Drama, Musikfilm | R: James Mangold

LIKE A COMPLETE UNKNOWN sieht gut aus, hat gute Darsteller und erzählt seine Geschichte gut, interessiert sich aber weder für Dylans Begeisterung für Folk- und Blues-Songs der zwanziger und dreißiger Jahre noch für sein Engagement in der Bürgerrechtsbewegung.

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