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Schicksals-Fragen

In das ein einigermaßen geordnete Leben der Stand-Up Komikerin Astrid platzt die Nachricht, dass mit dem Kind, das sie erwartet, nicht alles in Ordnung ist. Was folgt ist eine schmerzhafte Reise durch sich verschlimmernde Diagnosen und schließlich steht die Frage nach einem späten Schwangerschaftsabbruch im Raum.

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Witze reißen ist Astrids (Julia Jentsch) Profession, als Stand-Up Komikerin tingelt sie durch die einschlägigen Bühnen und Fernsehsendungen des Landes, in gut eingespielter Partnerschaft mit ihrem Lebensgefährten (Bjarne Mädel), der zugleich ihr Manager ist. Eine kleine Villa im Umland ist der Rückzugsort für das Paar und ihre neunjährige Tochter.
In das geordnete, keinesfalls Krisen-fremde Glück platzt die Nachricht, dass mit dem zweiten Kind, das Astrid erwartet, aus medizinischer Sicht nicht alles in Ordnung ist. Was folgt ist eine schmerzhafte Reise durch sich verschlimmernde Diagnosen und die daraus folgenden Belastungsproben für die Beziehung zum Partner, zur Tochter, zum freundschaftlichen und professionellen Umfeld. Ein Navigieren durch ein schicksalsvermintes Terrain aus medizinischen Möglichkeiten und Konsequenzen, kulturellen Haltungen und Glaubensfragen, alles potenziert durch die Tatsache, dass der bekannten Kabarettistin das Aushandeln im Privaten letzten Endes verwehrt bleibt.
Während Astrids Familie und Freunde von Profi-Schauspielern verkörpert werden, verfolgt der Film im Bereich der medizinischen Beratungen und Entscheidungen einen semidokumentarischen Zugang: Die medizinischen, und therapeutischen Fachleute werden durchgehend von Laien dargestellt. Das ist eine, aber nicht die einzige Strategie mit der sich der Film dem annähert, was man unumwunden als sein Thema ausmachen kann: Die Frage, ob Astrid, im Hinblick auf die zu erwartenden schweren Beeinträchtigungen des Kindes, und aller damit verbunden Konsequenzen einen späten Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen soll.
Eine Hebamme wird an einer Stelle von Astrid danach befragt, wie sie sich entscheiden würde, sagen, dass das eine Entscheidung ist, die man nur treffen kann, wenn man sie treffen muss, und dass sich ein Urteil darüber verbietet. Damit bringt sie wohl zugleich das Credo des Films selbst zum Ausdruck. Anne Zohra Berrached versucht in ihrem zweiten Film die größtmögliche Annäherung an Astrids Dilemma nicht so sehr in der didaktisch intendierten Aufführung aller erdenklichen Für und Wider, sondern darin, unter gekonnter und effektiver Aufbringung aller gestalterischen Mittel die emotionale Wucht einer unmöglichen Situation ins Jenseits der Leinwand überspringen zu lassen.
Ob einem diese Form der Ansprache Momente der Erkenntnis erlaubt, darüber wird das Publikum geteilter Meinung sein. Darüber, dass sie eine Erfahrung bedeutet, die einem Gehöriges abverlangt, nicht.

Sebastian Markt

Details

Deutschland 2016, 102 min
Genre: Drama
Regie: Anne Zohra Berrached
Drehbuch: Anne Zohra Berrached, Carl Gerber
Kamera: Friede Clausz
Schnitt: Denys Darahan
Musik: Jasmin Reuter
Verleih: Neue Visionen
Darsteller: Julia Jentsch, Bjarne Mädel, Emilia Pieske
FSK: 12
Kinostart: 22.09.2016

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