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Berlinale XII- Panorama: Selfie-Collage aus Norwegen

Selbsreflexeionen in FRA BALKONGEN – FROM THE BALCONY

Als der Norweger Ole Giæver vor der Filmvorführung erklärte, wie er auf die Idee kam, dachte ich: Hm, den kenne ich doch. Tatsächlich kam mir bald in den Sinn, dass ich auf der Berlinale 2014 seinen sehenswerten kleinen Film MOT NATUREN (OUT OF NATURE) gesehen hatte, in dem er sich selbst bei einem Trip in die wilde Natur filmte. Zuvor, im Jahr 2011, war bereits sein Debütfilm FJELLET in Berlin gelaufen (allerdings ohne mich).

Zwischen OUT OF NATURE und FROM THE BALCONY bestehen Parallelen. In beiden Filmen nimmt sich der Panorama-Stammgast Giæver selbst unter die Lupe, beide Filme sind eine selbstzentrierte, oft schonungslos offene Nabelschau. In FROM THE BALCONY montiert der Enddreißiger private Videoaufnahmen, alte Fotos und (Selbst-)Reflexionen von seinem kleinen Balkon aus zu einer sehr persönlichen Bewusstseinsstrom-Collage, die er aus dem Off kommentiert. Immer wieder geht es um seine Frau und die beiden gemeinsamen Kinder, um generelle Fragen nach einem Platz in der Welt und die Schwierigkeit, im Moment zu leben.

Neben den krisseligen Selfie-Aufnahmen und Homevideos, darunter Videos des 16-jährigen Ole Giæver, nutzt der Filmemacher auch simple Zeichentrickanimationen. Der spielerische Ansatz tritt schon am Anfang hervor, wenn Giæver zu Richard Strauss' „Also sprach Zarathustra“ via Google Earth auf Oslo und seine Wohnung zoomt. Der Balkon dient ihm fortan als Zwischenwelt, von der aus sich einerseits über Gott und die Welt, andererseits über das eigene (Familien-)Leben nachsinnen lässt. Giævers Überlegungen kontrastieren die norwegische Wohlstandsgesellschaft mit Bildern des IS-Terrors und führen immer wieder zu Überlegungen zum Wesen des Universums. Die Ehrlichkeit, mit der Ole Giæver sich und sein Leben darstellt, wiegt die teils offensichtliche Banalität der humorvollen Collage auf.

Christian Horn