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Western

Die Frontier liegt im Osten

In Valeska Griesebachs lakonischem „Western“ liegt die Frontier im Osten, in Bulgarien, und die Cowboys sind ein Trupp wortkarger Bauarbeiter, die in der Sommerhitze ein kleines Wasserkraftwerk bauen sollen.

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Meinhard betritt die Leinwand mit einer Plastiktüte statt einem Sattel in der Hand, er schlendert über einen Bolzplatz statt durch die Prärie, aber Valeska Griesebachs WESTERN ist ein richtiger Western, mit Pferden, Gewehren, Fremden in der Stadt, gefährlichen Pokerspielen und einer richtigen Wildnis, an der Grenze zwischen Bulgarien und Griechenland. Hier soll ein Berliner Bautrupp auf Montage ein Wasserkraftwerk errichten, aber es fehlt an Material und selbst an Trinkwasser, die Arbeit kommt nicht vom Fleck.

Die Männer lungern unter der Leitung ihres Poliers Vincent hauptsächlich herum, und werfen sich gegenseitig Sprüche an den Kopf („Ick hab dir doch jesacht wir solln uns nich bewegen!“). Bevor sie auch nur mit Einheimischen im Dorf in Kontakt kommen, hat Vincent schon eine Bulgarin belästigt und die einheimische Männerehre gekränkt. Die Begegnungen danach sind von gegenseitigem Misstrauen geprägt, und auch zwischen Vincent und dem mysteriösen Montageneuling Meinhard, der als einziger den Kontakt zu den Dorfbewohnern sucht und im Bulgaren Adrian einen Freund findet, wächst die Spannung. Schon zu Beginn fantasieren die Deutschen davon, irgendwo herumzuballern, und später wird dann auch geschossen, wenn auch anders als erwartet.

Valeska Griesebach hat bei WESTERN wie immer in ihren Filmen ohne professionelle Schauspieler und ohne fertiges Drehbuch gearbeitet. Die Bauarbeiter sind wirklich Bauarbeiter, die bulgarischen Dorfbewohner leben wirklich in der Gegend. Dabei ist die Intensität des Spiels ihrer Darsteller enorm, allen voran wirkt Meinhard Neumann als der zunächst still wirkende Meinhard wie der legitime Nachfolger klassischer Westernhelden. Seine schlanke, große, drahtige Gestalt mit dem eckigen Gang erinnert an Gary Cooper und den späten James Stewart: ein Mann, der mit Ende 40 schon Einiges hinter sich hat, sich bei aller Schlaksigkeit seines Körpers bewusst ist. Wenn er erzählt, dass er einmal „Legionär“ gewesen sei, glauben ihm das nicht nur die Bulgaren. Reinhard Vertrek als sein Gegenspieler Vincent ist jünger, kräftiger und steht stärker unter Druck, was sich nicht nur in seinem Unterkiefer und seinem im Laufe des Films immer dunkler glühenden Gesicht zeigt.

Griesebach beherrscht ihre Mittel vollkommen. Die Dialoge, die in der Zusammenarbeit mit den Darstellern entstanden sind, sind zugleich komisch und absolut überzeugend. Genauso klingt es, wenn gelangweilte Männer sich mit Sprüchen duellieren, bei denen jeder immer noch eins draufsetzen muss. Sie hat dazu eine Bildsprache gefunden, die die Westernanalogie ernst nimmt, ohne ironisch zu werden oder es zu weit zu treiben, wobei ihr und ihrem Kameramann Bernhard Keller prächtige Bilder gelingen. Begegnungen in der Fremde, verschiedene Formen des Dünkels, des sich überlegen Fühlens, spielen eine Rolle, aber am Ende zeigt sich, dass alle Personen zwiespältiger sind, als es zunächst den Anschein hat. WESTERN ist einer der besten deutschen Filme des Jahres.

Tom Dorow

Details

Deutschland/Österreich/Bulgarien 2017, 121 min
Genre: Drama
Regie: Valeska Grisebach
Drehbuch: Valeska Grisebach
Kamera: Bernhard Keller
Schnitt: Bettina Böhler
Verleih: Piffl Medien
Darsteller: Meinhard Neumann, Reinhardt Wetrek, Syuleyman Alilov Letifov, Veneta Frangipova
FSK: 12
Kinostart: 24.08.2017

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