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The Square

Kunstkritisches Kunstkino

Der diesjährige Gewinner von Cannes ist, je nach Sichtweise, eine Satire auf den Kunstbetrieb oder selbst ein Stück Performance-Kunst.

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Der diesjährige Gewinner von Cannes ist, je nach Sichtweise, eine Satire auf den Kunstbetrieb oder selbst ein Stück Performance-Kunst. Wie schon in HÖHERE GEWALT knüpft sich Östlund auch diesmal wieder bürgerliche Befindlichkeiten vor, und wieder ist ein Mann in der Krise. Christian – immer top gekleidet auf der Grenze zwischen schick und lässig - ist Kurator eines großen Museums. In der neuen Ausstellung „The Square“, soll es um das soziale Miteinander gehen. Zentrales Ausstellungsstück ist ein im Boden eingelassenes Quadrat mit der Aufschrift „The Square ist ein Zufluchtsort, an dem Vertrauen und Fürsorge herrschen. Hier haben alle die gleichen Rechte und Pflichten.“

Für die jungen Social-Marketing-Typen, die der Ausstellung die größtmögliche Reichweite verschaffen sollen, egal wie, ist diese Message allerdings zu menschenfreundlich und damit fade. Besser fänden sie ein wirklich kontroverses Video, das zum viralen Hit wird. Sie haben da auch schon eine Idee. Etwas mit Kindern und Attentaten, das sollte die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der Rest des Teams nimmt den Vorschlag konsterniert auf. Christian selbst hört gar nicht richtig zu – er ist damit beschäftigt, den Dieb seines Mobiltelefons aufzuspüren, der irgendwo in einem Sozialwohnungsblock untergetaucht ist. Er beschließt, bei allen Bewohnern des Hochhauses einen Drohbrief einzuwerfen. Während die Werbemaschine sich anlässt, größtmöglichen Blödsinn zu produzieren, und damit das Ende von Christians Karriere einläutet, verfolgt Christian seine persönliche Vendetta, die ihn mit Lebensrealitäten konfrontieren wird, über die er, aller menschenfreundlichen Kunst zum Trotz, offenbar noch nie nachgedacht hat.

Über weite Strecken ist THE SQUARE eine Aneinanderreihung von mal mehr, mal weniger absurden, immer aber sorgfältig kadrierten Szenen, die die museale Existenz des bürgerlichen Personals dekonstruieren. Während sich der Diskurs sich oberflächlich um Kunst drehen, geht es eigentlich um Status, Sex, Geld und Gier. Symptomatisch ist die Szene, in der die ganzen Gutgekleideten zum Buffet rennen, als wüssten sie nicht, wann es das nächste Mal zu Essen gibt. Als Christian sich aus der Museums-Blase nach draußen wagt, überfällt ihn Panik. Die Konfrontation oder vielmehr die Nicht-Konfrontation zwischen denen, die Geld und Status haben und denen, die von Almosen leben, scheint der eigentliche rote Faden dieser mäandernden Satire. Immer wieder begegnet Christian Bettlern auf der Straße. Einmal bietet er einer Frau an, ihr ein Sandwich mitzubringen aber als sie „Hühnchen ohne Zwiebeln“ bestellt, ist er beleidigt, dass sie Sonderwünsche äußert. Am nächsten Tag hat er gute Laune und gibt gleich bündelweise Geld. Einmal braucht er selbst Hilfe und alle gehen an ihm vorbei.

Östlund liebt es, das Unbehagen der Etablierten auszustellen, denen es am liebsten wäre, die anderen, die Armen, die schlechter Gekleideten, die Unkultivierten wären einfach nicht da, oder zumindest nicht sichtbar. Auf dem Revers gute Sozialdemokraten, im Herzen eine Elite, die sich nicht mal eingestehen mag, dass sie Elite ist. Gleichzeitig scheint sich Östlund selbst am wohlsten inmitten des Kunstzirkus‘ zu fühlen, den er persifliert. Abseits von den wohlfeinen Hieben auf die moderne Kunst und ihre Diskurse, zu denen THE SQUARE seinerseits ja auch gehört, durchzieht eine schizophrene, selbstzweiflerische Note den Film.

Hendrike Bake

Details

Deutschland/Schweden/Frankreich/USA 2017, 122 min
Genre: Satire, Gesellschaftsfilm, Drama
Regie: Ruben Östlund
Drehbuch: Ruben Östlund
Kamera: Fredrik Wenzel
Schnitt: Jacob Secher Schulsinger
Verleih: Alamode Filmverleih
Darsteller: Claes Bang, Dominic West, Elisabeth Moss, Terry Notary, Linda Anborg
FSK: 12
Kinostart: 19.10.2017

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IMDB

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