Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Marija

Königin der Nordstadt

Im Epizentrum von Michael Kochs fein beobachteter und glänzend gespielter Milieustudie steht die so kämpferische wie verletzbare Marija, deren Traum vom eigenen Friseursalon in weite Ferne gerät, als sie ihren Job als Hotelputzfrau verliert.

Mehr

„Just a lonely girl in a cold, cold world“ trällert Falco in einer Szene aus dem Autoradio. Das passt. Mit ihren harten Gesichtszügen und den aufgesprungenen Lippen wirkt die junge Ukrainerin Marija tatsächlich wie das einsamste Mädchen der Welt. Ihr Traum von einem Friseursalon rückt in weite Ferne, als sie ihren Job als Hotelputzfrau verliert. Weil sie keine Miete zahlen kann, besänftigt sie ihren Vermieter Cem mit einem Blowjob. Fortan erledigt sie kleine Aufträge für ihn und lernt den zwielichtigen Unternehmer Georg kennen, für den sie als Dolmetscherin Russisch übersetzt. Mit Georg erlebt Marija unbeschwerte Momente, doch im Grunde kämpft sie allein für ihre Selbstbestimmung – das Leben schenkt ihr jedenfalls nichts, und sie hat ebenfalls nichts zu verschenken. Nach drei Kurzfilmen inszenierte Michael Koch mit dem lebensnahen Sozialdrama MARIJA sein Spielfilmdebüt, das in Locarno für einen Goldenen Löwen nominiert wurde. Im Epizentrum steht die von Margarita Breitkreiz gespielte, so kämpferische wie verletzbare Marija. Breitkreiz trat bislang vor allem im Fernsehen auf (z.B. im „Tatort“) und spielt die Hauptrolle mit solcher Wucht, dass sie künftig sicher öfter im Kino zu sehen sein wird. Michael Koch porträtiert allerdings nicht nur seine Protagonistin, sondern insbesondere das alltägliche Leben der Migranten in der Dortmunder Nordstadt, einem multikulturellen Kiez. Das Skript reißt viele Schicksale an, etwa das eines Russen, der ohne Versichertenkarte zum Arzt will. Cem macht allerhand Geschäfte mit den Einwanderern und füllt beispielsweise Kindergeldanträge aus – für 100 Euro pro Kind. Ohne in simple Betroffenheit abzurutschen, blickt Koch den unterschiedlichen Charakteren über die Schulter und entwirft eine fein beobachtete, glänzend gespielte Milieustudie vom Rand der Gesellschaft.

Christian Horn

Details

Deutschland/Schweiz 2016, 100 min
Genre: Drama
Regie: Michael Koch
Drehbuch: Juliane Grossheim, Michael Koch
Kamera: Bernhard Keller
Schnitt: Florian Riegel
Verleih: Real Fiction
Darsteller: Georg Friedrich, Margarita Breitkreiz, Olga Dinnikova, Sahin Eryilmaz
FSK: 12
Kinostart: 09.03.2017

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.