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L'Chaim – Auf das Leben!

Intimes Familienporträt

Im Mittelpunkt des dokumentarischen Langzeitprojekts – der Dreh dauerte sieben Jahre – steht Spillers charismatischer und unangepasster Cousin Chaim Lubelksi. Auf amüsante und berührende Weise zeigt Spiller, warum ein alter jüdischer Hippie zu seiner Mutter ins Altersheim zieht.

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Chaim Lubelskis Bewegungen wirken immer ein wenig zu hektisch. Er lacht viel, aber seine Fröhlichkeit und seine Freundlichkeit scheinen angestrengt. Er pflegt seine Mutter liebevoll, er spricht davon, dass die Zeit mit seinen Eltern die schönste in seinem Leben gewesen sei. Aber Chaim wirkt wie gehetzt und muss ständig Cannabis rauchen, um ein wenig herunter zu kommen. Chaim ist 62 und lebt mit seiner über neunzigjährigen Mutter Nechuma in Antwerpen. Nechuma Lubelskis Familie ist in Auschwitz ermordet worden, sie selbst war im KZ Peterswaldau, ihr erster Ehemann wurde von den Deutschen ermordet, der zweite, Chaims Vater, kam mit einer Tuberkulose aus dem KZ zurück, weswegen die Familie nach dem Krieg nicht in die USA auswandern konnte. Vierzig Jahre lang hat Mama nicht von früher gesprochen, sagt Chaim, jetzt schläft sie keine Nacht, steht vor den Bildern und ruft „Mama, Papa“ und „Die Deutschen sollen brennen!“ Chaim erzählt seiner Mutter, dass seine Schwester, die vor einem Jahr gestorben ist, in einer Reha-Klinik in Israel lebt. Mama würde die Wahrheit nicht verkraften, sagt Chaim. Fotos zeigen ihn als einen gutaussehenden jungen Mann, der sich vom langhaarigen, bärtigen Studenten zu einem Playboy-Typen entwickelt hat und schließlich zu diesem bärtigen älteren Mann mit der Maomütze, der wie eine Mischung aus orthodoxem Juden und fusseligem Erzhippie wirkt. Chaim war Schachprofi, hat Millionen mit dem Import von Jeans verdient und an der Börse wieder verloren. In Israel wirkt er glücklicher, aber Mama ist es dort zu heiß. So raucht Chaim auf einem Antwerpener Balkon seinen Joint im Regen und spricht über die Folgen des Holocaust für die nachfolgenden Generationen, zu der auch Chaims Cousin, der Filmemacher Elkan Spiller, gehört, der diesen sehr persönlichen Film über seine Verwandten gedreht hat.

Hannes Stein

Details

Originaltitel: L'chaim!: To Life!
Deutschland/ Frankreich/ Israel/ Niederlande/ Belgien 2014, 92 min
Genre: Biografie, Dokumentarfilm
Regie: Elkan Spiller
Drehbuch: Elkan Spiller
Kamera: Virginie St. Martin, Ron Ramirez, Guillaume Vandenberghe, Raphael Kolacz, Simon Arazi, Elkan Spiller, Asaf Ben Ami, Yigal Elimelech, Gregoire Foucher
Schnitt: Günter Heinzel
Musik: Michael Benhayon
Verleih: mindjazz pictures
Darsteller: Chaim Lubleksi, Nechuma Lubelski
FSK: oA
Kinostart: 27.08.2015

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IMDB

Vorführungen

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