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La La Land

Kitsch der feinsten Sorte

Hinreißend altmodische Musical-Romanze um einen Jazz Pianisten (Ryan Gosling) und eine Schauspielerin (Emma Stone), das Warten auf den Erfolg und den Widerstreit zwischen äußeren Zwängen und ideellen Wünschen.

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„Presented in Cinemascope“ kokettiert ein Textinsert am Anfang. Darauf fährt die Kamera wie in Godards WEEK-END in einer Plansequenz einen Stau entlang. Stillstehende Autos, Gehupe, Audiofetzen aus Radiosendern formen ein Medley. Im Hintergrund wartet Los Angeles. Plötzlich entsteigen die Menschen in bunten Sommerkleidern ihren Autos und stimmen eine euphorische Gesangseinlage samt Tanzchoreographie an, die von der Hoffnung handelt, dass die Sonne schon wieder aufgeht. Nach der Musicalnummer klettern alle wieder in ihre Fahrzeuge, das Hupen und die laufenden Motoren übernehmen wieder, als wäre nichts gewesen. In dieser Weise brechen die hyperaktiven und sehr eingängigen Tanz- und Gesangsszenen aus LA LA LAND immer wieder als Kontrapunkt die „Realität“ auf.

Ebenfalls im Stau stecken der von Ryan Gosling (DRIVE) verkörperte Jazz-Pianist Sebastian und die von Emma Stone (BIRDMAN) gespielte Kellnerin Mia, die sich aber vorerst nicht kennenlernen. Seb fährt kopfschüttelnd an Mia vorbei, weil die sich nicht sofort in den anlaufenden Verkehrsfluss einreiht. Kurz drauf treffen sie erneut aufeinander. Sebastian hat soeben seine Stelle als Pianist in einer Hotellobby verloren, weil er statt der gewünschten Weihnachtslieder eine eigene Jazz-Improvisation spielte. Als Mia ihm dafür ein Kompliment machen will, lässt Seb sie verdutzt stehen.

Die Love Story fängt holprig an, doch schließlich finden Mia und Seb doch noch zusammen. Als sie REBEL WITHOUT A CAUSE mit James Dean im Kino schauen, fängt das Zelluloid kurz vor dem ersten Kuss Feuer. Heiße Liebe. Vereint werden die Liebenden durch ihre Träume. Der abgebrannte Seb will wie ein „Phönix aus der Asche“ steigen und einen Jazzclub eröffnen, Mia träumt davon, ihren Tresenjob in einem Café der Warner Brothers gegen eine Karriere als Schauspielerin einzutauschen. Dafür durchläuft sie zig Castings und schreibt, ermuntert von Seb, ein One-Woman-Theaterstück mit ihr selbst in der Hauptrolle.

Ihre unerfüllten Träume schweißen die prekären Mittzwanziger zusammen, fordern die Liebe aber auch heraus. Ein Wasserfleck an der Zimmerdecke spricht Bände: Es fehlt an Geld. Zweifel machen sich breit: „Vielleicht gehöre ich zu den Leuten, die es immer nur machen wollen, aber es bleibt ein Wunschtraum“, meint Mia. Vielleicht sollte man erwachsen werden. Seb nimmt schließlich das Angebot eines alten Bekannten an und geht mit der Modern Jazz-Popband The Messengers auf Tour, für 1000 Dollar die Woche plus Spesen. Sebs Erfolg, ein Verrat an seinen Idealen, erweist sich als Belastungsprobe für die Liebe der Traumtänzer, weil eine Schieflage entsteht.

Damien Chazelle unterteilt sein Musical in Jahreszeiten. Am Anfang ist Winter, die Kennlernphase sprießt im Frühling, die frische Verliebtheit natürlich im Sommer. Was folgt, ist Herbst, und wieder Winter. Die klar umrissenen Stationen der Liebesgeschichte werden jeweils von Musical-Einlagen mit ausgefeilten Choreographien und melodischen Kompositionen flankiert und prägnant auf den Punkt gebracht. Die Kamera wirbelt herum, dreht sich mitten in einem Pool im Kreis, Wasser spritzt auf die Linse, ein Feuerwerk explodiert am Nachthimmel, das Liebespaar tanzt als Silhouette durchs Weltall. Hier ist LA LA LAND nostalgisch und modern zugleich: Nostalgisch in seinen stetigen Verweisen auf die Goldene Ära Hollywoods, auf Revues mit Fred Astaire und Frank Sinatra oder auf Ingrid Bergman, die als Postermotiv in Mias Zimmer thront. Modern in der agilen Kameraarbeit, die im alten Hollywood so nicht möglich war. Zeitlos ist der Plot um das Warten auf den Erfolg und den Widerstreit zwischen äußeren Zwängen und ideellen Wünschen.

Mit dem Musik-Kammerspiel WHIPLASH hat der ornamentale LA LA LAND auf den ersten Blick nicht viel gemein. Und doch finden sich Parallelen. Beide Filme handeln von der Sehnsucht nach künstlerischem Erfolg, beide Male spielt Musik eine zentrale Rolle. Der direkteste Verweis auf WHIPLASH ist der Auftritt von J.K. Simmons, der die Gesten des knüppelharten Musiklehrers aus Chazelles vorangegangenem Film als Hotelchef imitiert. Neu ist der ironische Humor, mit dem Chazelle die verspielte Satire auf das Showbusiness und das überlebensgroße Porträt einer großen Liebe vorbringt.

Chazelles hinreißende Musical-Romanze lief als Eröffnungsfilm in Venedig und wurde für sieben Golden Globes nominiert, mit Oscarnominierungen ist zu rechnen. Der mit Paul Thomas Andersons PUNCH-DRUNK LOVE vergleichbare, durchweg sympathische Liebesfilm ist letztlich ein Gute Laune- und Mutmacherfilm für alle, die ihre Träume verfolgen und dabei auf reale Grenzen und Zweifel stoßen: „Ein Hoch auf diejenigen, die träumen, so töricht sie auch erscheinen mögen,“ stimmt eins der Musikstücke an. Das ist Kitsch, gar keine Frage. Doch von der feinsten Sorte!

Christian Horn

Details

USA 2016, 128 min
Genre: Musical, Tragikomödie
Regie: Damien Chazelle
Drehbuch: Damien Chazelle
Kamera: Linus Sandgren
Musik: Justin Hurwitz
Verleih: STUDIOCANAL
Darsteller: Ryan Gosling, Emma Stone, J.K. Simmons, Rosemarie DeWitt
FSK: oA
Kinostart: 12.01.2017

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