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Kater

Häusliche Gewalt

New Queer Cinema aus Tirol: Die Musiker Stefan und Andreas leben in ihrem Haus im Grünen einen Traum vom bürgerlichen Idyll. Der Gewalteruption auf einer Party begegnen sie mit Trauer und Hilflosigkeit.

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Stefan und Andreas teilen Arbeitsplatz (ein Orchester), Freundeskreis (Orchestermusiker) und Bett, ernten Kräuter und Früchte aus ihrem Garten, in ihrem Haus im Grünen laufen sie meist nackt herum. Ein bürgerliches Paradies, ein Leben im weichen piano, zwischen Schubert, Ikea, dampfendem Kaffee und dem launigen Schnurren von Kater Moses, der sich beständig zwischen das Paar schmiegt. Als auf einer Party bei ihnen zuhause ausgerechnet Schlager gesungen werden („Ich bin dir ausgeliefert, jeden Tag!“), mischt sich eine erste dissonante Note in den Schönklang des Alltags. Aber wie aus dem Nichts kommt plötzlich die Gewalteruption, die diesen Film zweiteilt und die häusliche Idylle in ein Szenarium der Bedrohung, der Fremdheit und Trauer verwandelt.
Das funktioniert im faszinierenden Beziehungsfilm von Händl Klaus nicht als billiger Schockeffekt. Auch nicht als Wendepunkt in einer Satire über bürgerliche schwule Lebensmodelle, dafür nimmt er Stefan und Andreas, ihre Liebe und ihre Trauer über die Vertreibung aus dem Paradies zu ernst. KATER bleibt immer nah bei seinen Figuren, beobachtet die Körperlichkeit der beiden Männer mit einer Neugier und Genauigkeit, wie man sie sonst nur im „New Wave Queer Cinema“ sieht (WEEKEND, KEEP THE LIGHTS ON), das der Tiroler Filmemacher sehr genau studiert hat. So bekommen alle Versuche, den Riss in den bürgerlichen Sicherheiten mit den vertrauten Mitteln zu kitten, etwas Rührendes: Wenn Stefan an die Orchesterkollegen selbstgemachte Marmelade verteilt, wenn die empfindlichen Bleikristallgläser wieder aus der Spülmaschine genommen werden, wenn Stefan freiwillig auf die sich selbst aufblasende Isomatte umzieht. Es sind hilflose Hausmittel gegen die ungeheuerliche Frage, die plötzlich zwischen zwei Liebenden steht: „Wer bist du?“

Jan Künemund

Details

Österreich 2016, 114 min
Genre: Drama
Regie: Händl Klaus
Drehbuch: Händl Klaus
Kamera: Gerald Kerkletz
Schnitt: Joana Scrinzi
Musik: Johann Sebastian Bach, Maurice Ravel, Felix Mendelssohn-Bartholdy
Verleih: missingFILMs
Darsteller: Philipp Hochmair, Manuel Rubey, Thomas Stipsits, Gerald Votava, Lukas Turtur
FSK: 16
Kinostart: 24.11.2016

Website
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