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High-Rise

In jeder Hinsicht exzessiv

Der Neurochirurg Dr. Laing hat sich ein schickes Apartment in einem brutalistischen Hochhauskomplex gekauft. Oben wohnt die Oberschicht, unten der Plebs, Laing in der Mitte. Als Strom und Aufzüge versagen, bricht eine gewalttätige Orgie im Gebäude los. Nach dem Kultroman von J.G. Ballard.

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Dr. Laing (Tom Hiddleston), mit sich selbst zufrieden, grillt sich im Abendrot einen Hund auf dem Balkon. Der Anfang zeigt, wie alles endet, der Rest des Films, wie es soweit kommen konnte. Mitte der siebziger Jahre, Laing hat er ein Apartment in einer beeindruckenden Gruppe von Hochhäusern gekauft, 25. Stock. Die Spitzen der Gesellschaft wohnen hier. Laing ist Neurochirurg, seine Wohnung liegt auf halber Höhe des Gebäudes. Ganz oben wohnt der Architekt (Jeremy Irons), ein Mann mit einer Vision. Darunter die Elite, zu der Laing noch nicht richtig gehört, unter Laing dann das Fußvolk: Leute mit Kindern, Journalisten und ähnlicher Plebs. Hinreißende brutalistische Architektur, elegant-brachiale Betonpfeiler durchschneiden die Wohnräume, es gibt einen Pool, einen Supermarkt, die ganze Luxusvariante der Corbusierschen „Wohnmaschinen“-Idee. Laing wird gleich zu einer Party beim Architekten eingeladen, aber als er dort ankommt, passt er nicht ins Bild: es ist eine barocke Kostüm- und Maskenparty, im Hintergrund läuft eine Kammermusik-Version von ABBAs „S.O.S“. Das bizarre Pop-Klagelied wird zu einem Leitmotiv des Films, später, alle Einrichtungen des Hochhauses sind bereits verwüstet, marodierende Trupps sind auf der Jagd nach Frauen bzw. Sex und Lebensmitteln, läuft noch einmal die Version von Portishead auf dem Soundtrack. Die Party im obersten Stock wird gekontert durch eine Party in den unteren Geschossen, die viel exzessiver und gewalttätiger ist - oben muss man sich bemühen, um mithalten zu können. Bald fällt in den unteren Geschossen der Strom aus, die Aufzüge funktionieren nicht mehr, und die Zivilisationskonventionen brechen ebenfalls auseinander.

Ben Wheatleys Verfilmung des gleichnamigen Romans von J.G. Ballard (1975) ist ein exzessiver Film, in jeder Hinsicht. Wer eine flott durcherzählte Geschichte mit Identifikationsfiguren erwartet, wird enttäuscht, wem die bild- und tongewaltigen filmischen Orgien von Ken Russel etwas geben, ist bei HIGH RISE an der richtigen Hausnummer. Wheatley, der sich schon in KILL LIST und SIGHTSEERS für das Gewaltpotential der braven Bürger interessiert hat, zeigt hier eine völlig unreflektiert patriarchale, perfekt stratifizierte Gesellschaft bei der mehr oder weniger lustvollen Selbstzerstörung. Es gibt auch einen Rebellen, sein Schicksal ist kein glückliches. Laing ist sicher kein Rebell. Er steht in der Mitte, da wo alle immer stehen wollen.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: High Rise
USA 2015, 119 min
Genre: Action, Drama, Science-Fiction
Regie: Ben Wheatley
Drehbuch: Amy Jump
Kamera: Laurie Rose
Schnitt: Amy Jump, Ben Wheatley
Musik: Clint Mansell
Verleih: DCM Filmdistribution
Darsteller: Tom Hiddleston, Jeremy Irons, Luke Evans, Sienna Miller
FSK: 16
Kinostart: 30.06.2016

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IMDB

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