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Grand Budapest Hotel

Gustave H. ist Concierge eines europäischen Luxushotels. In dem Hotel geht ein atemberaubender Kunstdiebstahl vonstatten, Gäste werden des Mordes an Madame D. beschuldigt und Gustave H. wird in den Kampf um ein Familienerbe verwickelt.

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Von allen zeitgenössischen Filmemachern ist Wes Anderson der versponnenste und der visuellste. In allen seinen Filmen entwirft er skurrile knallbunte Parallelwelten die von Mal zu Mal detailreicher und exzentrischer werden. Oft spielen seine Filme an abgeschlossenen Sehnsuchtsorten, auf dem Meer in THE LIFE AQUATIC, in einem indischen Zug in THE DARJEELING LIMITED oder in einem Ferienlager in MOONRISE KINGDOM. Das GRAND BUDAPEST HOTEL entführt nun in eine Art altes Europa, das so verschnörkelt, liebevoll handgearbeitet und voller mechanischer Überraschungen ist wie eine Kuckucksuhr und so weiß-rosa-zuckrig wie eins der Törtchen, die ständig durch den Film getragen werden. Die Handlung beginnt in der Gegenwart und führt in mehreren schnellen Windungen in der Zeit zurück: ein junges Mädchen liest heute ein Buch, in dem der Autor von einer Begegnung in den 60er Jahren erzählt, bei der ihm Zero Moustafa, der legendäre Besitzer des GRAND BUDAPEST eine Geschichte berichtet, die im Wesentlichen in den 30er Jahren spielt. Die verschiedenen Erzählebenen, die wie russische Matroschka-Puppen ineinander gestapelt sind, erzeugen ein Gefühl schwindelerregender Nostalgie für eine Welt, die es nie gegeben hat.
Den größten Raum im Film nehmen die Ereignisse in den 30er Jahren ein. Ein Hauch von Belle Époque hängt noch in der Luft, die Nazibarbarei taucht schon am Horizont auf. Im ländlich-osteuropäischen Zubrowka steht das Grand Budapest Hotel, ein rosafarbenes Ungetüm, in dem Zero Moustafa (Tony Revolori als armer Immigrant mit täglich frisch gemaltem Schnurrbart) soeben als Lobby Boy unter den Fittichen des legendären Monsieur Gustave (Ralph Fiennes mit einem Penchant für Parfum und ältere Damen) angefangen hat. Eine glückliche Verkettung von Umständen, die mehrere Morde, eine zarte Törtchen-Bäckerin, einen Gemäldediebstahl, Nazischergen, einen Gefängnisausbruch und zahllose Verfolgungsjagden umfassen, führt dazu, dass Zero zur rechten Hand von M. Gustave und schließlich zum Hoteldirektor aufsteigt.
Der hanebüchene Plot ist Anlass für eine Kaskade von visuellen Gags, die sich mit den Spielereien eines Jacques Tati messen können, aber sich eher an Stummfilmkomödien wie den Keystone Cops orientieren: alle rennen hintereinander her und ab und zu bekommt einer etwas auf die Mütze. Und das ist dann irre komisch und wird bei jeder Wiederholung lustiger. Natürlich verfeinert Wes Anderson dieses Prinzip: mal ist die Verfolgungsjagd absurd beschleunigt, dann wiederum wird mitten an der spannendsten Stelle unterbrochen, weil M. Gustave noch ein paar salbungsvolle Worte an sein Publikum richten will, bevor es weiter geht. Und als sich in einer Szene zwei Skilifte vor einem reinweißen Hintergrund in exakten Diagonalen kreuzen und unsere Helden die Richtung wechseln, wird es nahezu abstrakt. Andersons Hommage an den Humor und die Ästhetik früherer Filmgenerationen geht dabei bis zum verwendeten Filmformat: alle Szenen die in den 30ern spielen wurden im damals üblichen Normalformat gedreht, die Szenen aus den 60er Jahren in üppigem Cinemascope und die Szenen aus der Gegenwart im alltäglichen Breitwandformat.
Man kann Wes Andersons Begeisterung für Detail und Dekor, Rhythmus, Farben und parallele Kamerafahrten lieben, man kann sie aber auch obsessiv und weltfremd finden. Wer nach lebensechten Charakteren und berührenden Geschichten sucht, wird bei ihm von Film zu Film weniger fündig. Aber an Lebensnähe in einem dokumentarischen Sinn ist ihm wohl auch nicht gelegen, eher schon am Ausdruck eines Gefühls, einer Art nostalgischer Sehnsucht nach Familie (DARLJEELING LIMITED), Liebe (MOONRISE KINGDOM) oder Zivilisation (GRAND BUDAPEST HOTEL), die an die Sehnsuchtsfilme Wong Kar-Wais erinnert und um ihre Vergeblichkeit weiß. Andersons Parallelwelten sind bunt und lustig und gut sortiert, weil es die wirkliche Welt nicht ist und nie sein wird.

Hendrike Bake

Details

GB/D 2014, 100 min
Sprache: Englisch
Genre: Drama, Krimikomödie
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson, Hugo Guinness
Verleih: FOX
Darsteller: Saoirse Ronan, Jude Law, Ralph Fiennes
FSK: 12
Kinostart: 06.03.2014

Website
IMDB

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