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Clash

Unterm Brennglas

Während einer Demonstration in Cairo werden zwei Journalisten verhaftet und landen in einem Polizeitransporter, der sich bald mit Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen füllt.

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Der ägyptische Film CLASH von Mohammed Diab kam in Ägypten 2016 in die Kinos, nachdem er für den Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes ausgewählt worden war und dort beachtliche internationale Anerkennung erhalten hatte. In Ägypten lief der Film sehr erfolgreich im Kino, weil das Thema und die Repräsentation verschiedener Charaktere und Gruppen – vor allem der Polizei und der Muslim-Bruderschaft – große Aufmerksamkeit generierten. CLASH ist Diabs zweiter Film, nach seinem Debüt CAIRO 678, in dem es um die sexuelle Belästigung von Frauen in Ägypten ging.

CLASH beginnt in einem fahrenden Polizeifahrzeug. Ein Prolog stellt „einen dieser Tage“ in den Kontext der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Ägypten. Zwei Journalisten der Associated Press – einer ist ägyptischer und einer zur Hälfte US-amerikanischer Herkunft – werden verhaftet und in den Polizeitransporter geworfen. Sie rufen um Hilfe. Demonstranten, die in der Nähe protestieren bemerken sie endlich, glauben aber, dass die beiden zur Muslim-Bruderschaft gehören. Als sie herausfinden, dass die Männer zur Presse gehören, greifen Sie den Transporter mit einem wüsten Pflastersteinhagel an und beschimpfen die Journalisten als Verräter. Die Polizei verhaftet alle, Jung und Alt, Mütter und Väter, Muslim-Brüder und ihre Unterstützer, sowie einen Obdachlosen – unter dem Vorwand, er sei ein Randalierer. Der ganze Haufen findet sich endlos in dem acht Meter langen Polizeitransporter zusammengepfercht, ohne Zugang zu Wasser oder Toiletten, der gnadenlosen Hitze ausgesetzt. Die höherrangigen Polizeioffiziere behandeln die Inhaftierten mit Hohn und Spott, während die untergeordneten Polizisten gehorchen „müssen“. Als Einer von ihnen gegen die dumpfe Willkür protestiert, bringt ihn das vor die Mündung der Pistole seines Vorgesetzten.

Diab quetscht seine Figuren auf engem Raum zusammen, um die Längen- und Breitengrade der Machtdynamik zu zeigen – und deren Fragmentierung in jedem einzelnen Moment. Von den politischen Ereignissen ausgehend, fokussiert sich der Film später immer mehr auf die Charaktere und ihr persönliches und kollektives Befinden. Ob CLASH ein politischer Film ist, ist eine Frage, die die Zuschauer*innen den ganzen Film über begleitet, weil ihr politischer Standpunkt selbst Teil der Geschichte ist. Zwangsläufig sympathisiert man aufgrund ihrer Haltung mit einer Person oder einer Gruppe. Diab versucht dem zu entkommen, indem er die individuellen Eigenschaften der Figuren gegenüber ihrer Gruppenzugehörigkeit in den Vordergrund rückt. Schließlich brechen die politischen Zugehörigkeiten und das Unbekannte in einen surrealen Laser-Krieg aus, was dem Moment eine zeitlose Dimension verleiht.

Der fahrende Transporter wird zur Bühne, auf der wir die Charaktere ihre ihnen zugeschriebenen Rollen aufführen sehen. Von diesem Ort aus beobachten sie einander und die Welt draußen. Während sie beobachten, beobachten auch wir. Die versperrten Fenster zeigen eine beschränkte, aber beredte Sicht auf die Eruptionen, die auf den Straßen stattfinden, während Demonstranten und Polizei sich in Konfrontationen aus Feuer, Tränengans, Wut und Gewehrkugeln gegenüberstehen. Die sich verändernde Position des Transporters entscheidet, welche Teile der Außenwelt wir zu sehen bekommen. Die drinnen eingesperrte Gruppe, die keine Ahnung hat, was als nächstes geschieht, besteht scheinbar aus passiven Zuschauer*innen – genau wie die Bevölkerung und die Medien angesichts der Gewalt, die auf die Demonstrationen folgen sollte. Einige jubeln sogar wie ein begeistertes Publikum für die, deren Seite sie unterstützen. Der Jubel wandelt sich in verzweifelte Rufe nach denen, die sie lieben, in der irrationalen Hoffnung auf eine Antwort.

In einer aufgeladenen Zeit in Ägyptens sozialer und politischer Realität wird der Dialog über diese „Fiktion“ zu einer Fortführung des Films jenseits der Leinwand.

Sarah Amir, Kairo

Details

Originaltitel: Eshtebak
Frankreich/Ägypten 2016, 97 min
Genre: Drama, Politthriller
Regie: Mohamed Diab
Drehbuch: Mohamed Diab, Khaled Diab
Kamera: Ahmed Gabr
Musik: Khaled Dagher
Verleih: missingFILMs
Darsteller: Nelly Karim, Hany Adel, Ahmed Malek, Ahmed Dash
FSK: 12
Kinostart: 19.10.2017

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IMDB

Vorführungen

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