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Erbarme Dich! – Die Matthäus Passion

Facetten eines Monuments

Der niederländische Filmemacher Ramón Gieling schafft es in seinem collagenartigen Dokumentarfilm, die überwältigende Energie und ungebrochene Anziehungskraft von Johann Sebastian Bachs 1727 uraufgeführte Matthäus-Passion zu transportieren und seiner, scheinbar so übermächtigen, Autorität intime und private Momente entgegen zu setzen.

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Ein monumentales Kunstwerk, das ganz im Zeichen des Leidens und Sterben Jesu Christi steht und zum Höhepunkt der protestantischen Musikkultur geworden ist, das klingt weder zeitgemäß noch sonderlich unterhaltsam. Der niederländische Filmemacher Ramón Gieling schafft es, mit seinem collagenartigen Dokumentarfilm ERBARME DICH: MATTHÄUS PASSION STORIES, der Johann Sebastian Bachs 1727 uraufgeführte Matthäus-Passion zum Filmthema erhebt, die überwältigende Energie und ungebrochene Anziehungskraft dieses bedeutenden Oratoriums der Barockmusik zu transportieren und seiner, scheinbar so übermächtigen, Autorität intime und private Momente entgegen zu setzen. Gieling stellt den Proben des Werks, die Dirigent Pieter Jan Leusink unter Mitwirkung eines Obdachlosenchors in einer verfallenen Kirche in Amsterdam durchführt, persönliche Geschichten gegenüber, in denen Theaterregisseur Peter Sellars, Schriftstellerin Anna Enquist, Sopranistin Olga Zinovieva und Choreograph Emio Greco ihre emotionale Verbundenheit zu den Stücken der Passion darlegen. Dadurch, und durch die vielen grundlegend verschiedenen Ansätze und musikalischen Interpretationen, wird die religiöse Dimension des Werks zwar nicht verleugnet, aber unmittelbar und niedrigschwellig für den weltlichen Zugang geöffnet. So schickt der Filmemacher das Zitat „Best thing man has invented was god“ gleich voraus und setzt damit die Prämisse, den Menschen in das Zentrum seiner Betrachtung zu stellen. Gielings Ansatz, neben der berauschenden Musik auch den visuellen Aspekt entsprechend zu gestalten, indem er diesen an den Stil der Meister des Goldenen Zeitalters der niederländischen Barockmalerei anlehnt, macht seinen Film selbst zum überbordenden Gesamtkunstwerk, das der drei Jahrhunderte anhaltenden Wirkungsgeschichte eines epochalen Musikstückes eine eigenständige und eigenwillige Facette hinzufügt.

Jens Mayer

Details

NL 2015, 97 min
Genre: Dokumentarfilm, Musikfilm
Regie: Ramon Gieling
Drehbuch: Ramon Gieling
Verleih: SALZGEBER
FSK: 12
Kinostart: 13.04.2017

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