Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Die göttliche Ordnung

Für die Verpolitisierung der Frau

Die Schweiz 1971. Eine Abstimmung über das Frauenwahlrecht steht an und in einem kleinen Dorf in der Schweiz bringt eine kleine Gruppe von mutigen Frauen gegen den Widerstand des Dorfes die Gleichberechtigung voran.

Mehr

Die Schweiz 1971. Das kleine Land stimmt – zum wiederholten Mal – über das Frauenwahlrecht ab. Das kleine Dorf, in dem Nora lebt, scheint geschlossen dagegen. Zumindest widerspricht niemand der Chefin der Tischlerei, die dem "Aktionskomitee gegen die Verpolitisierung der Frau“ angehört und die Männer des Betriebs ermahnt, nur ja richtig zu wählen. Auch für Noras Alltag scheint die Frage nicht relevant zu sein. Sie kümmert sich um ihre beiden Jungen, bringt dem knurrigen Schwiegervater abends das Bier an den Sessel, hängt Tag für Tag unzählige graue Socken an die Leine und denkt offenbar nicht darüber nach, ob das alles auch anders sein könnte. Doch wenn sie am Abend mit den Söhnen und dem Leuchtglobus auf Weltreise geht, wird ihre Sehnsucht spürbar.

Eines Tages sieht sie eine Stellenanzeige in der Zeitung: Das Reisebüro, in dem sie gelernt hat, sucht eine Teilzeitkraft. Nora würde den Job gerne annehmen, organisieren ließe sich das auch, aber ihr Mann Hans ist dagegen. „Das brauchst du doch nicht, ich verdiene jetzt mehr“ ist eins seiner Argumente. „Die Jungen essen sicher keine Dosenravioli“ ein anderes. Und schließlich: „Ich möchte nicht, dass du da ständig mit anderen Männern zu tun hast. Was sollen die Kollegen im Betrieb denken?“ Hans trägt das ganz freundlich vor, aber die Entscheidung ist endgültig, denn gegen die Zustimmung ihres Mannes darf Nora keinen Job annehmen. Dieses „Nein“ und die Realisation, dass ihr Mann es durchsetzen darf, ist der Beginn eines Emanzipations- und Solidarisierungsprozesses, der im wirklichen Leben sicher Monate und Jahre dauern würde, und den DIE GÖTTLICHE ORDNUNG auf wenige Wochen verdichtet. Auf einmal begegnet Nora überall Ungerechtigkeiten - die Nichte kommt ins Frauengefängnis, weil sie Sex hat, die Kneipenwirtin lebt in Armut, weil der Mann das ganze Geld versoffen hat – und erlebt Solidarität. Sie wird zur Anführerin der Dorfbewegung für das Frauenwahlrecht und am Ende führt sie sogar einen Streik der Hausfrauen an.

DIE GÖTTLICHE ORDNUNG ist ein durch und durch sympathischer Film, der mal warmherzig, mal verschmitzt und immer mit großer Sympathie für seine Figuren erzählt. Einmal machen die Dorffrauen einen Ausflug nach Zürich und landen in einem Selbsterfahrungsworkshop, in dem sie, zum Teil zum ersten Mal, mit dem Spiegel ihre Vagina betrachten. Klar ist das absurd und lustig, das finden auch die teilnehmenden Frauen selbst, aber es ist keine Lachnummer, eher ein besonders buntes Puzzleteil im vielgestaltigen Prozess der Befreiung. Ebenso viel Verständnis wie für die Frauen, bringt Regisseurin Petra Volpe übrigens auch für die Männer des Dorfes auf, deren schroffe Reaktionen manchmal mehr mit Angst und Unsicherheit zu tun haben, als mit der Verteidigung patriarchaler Bastionen.

Das „Private ist politisch“ war ein Wahlspruch der zweiten Frauenbewegung. DIE GÖTTLICHE ORDNUNG dreht die Maxime um und erzählt mit Herz und Humor auch davon, welche privaten Auswirkungen das politische Engagement haben kann. Bittere, wenn zum Beispiel auf einmal die Frage im Raum steht, ob einem der Job oder die Ehe wichtiger ist. Erfreuliche, wenn auch die Großvätergeneration sich mal an die Zubereitung eines Spiegeleies wagt. Und durchweg beglückende.

Hendrike Bake

Details

Schweiz 2017, 96 min
Genre: Drama, Gesellschaftsfilm
Regie: Petra Volpe
Drehbuch: Petra Volpe
Kamera: Judith Kaufmann
Schnitt: Hansjörg Weissbrich
Musik: Annette Focks
Verleih: Alamode Film
Darsteller: Marie Leuenberger, Maximilian Simonischek, Sibylle Brunner, Rachel Braunschweig, Marta Zoffoli
FSK: 6
Kinostart: 03.08.2017

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.