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Der Staat gegen Fritz Bauer

Biopic eines echten Vorbilds

Deutschland 1957. Der schwäbische Jurist und Sozialdemokrat Fritz Bauer, Sohn jüdischer Eltern, ist aus dem Exil nach Deutschland zurückgekehrt und macht sich durch die hartnäckige Verfolgung von NS-Verbrechern unbeliebt. Als ihm ein Hinweis über den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns zugespielt wird, hütet er sich, die deutschen Behörden zu informieren und kontaktiert den Mossad…

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Wenn DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER englischsprachig wäre, dann hätte Burghart Klaußner den Darsteller-Oskar so gut wie in der Tasche. Klaußner verkörpert den kleinen knurrigen, zähen, ständig an einer Zigarre oder Zigarette nuckelnden Generalstaatsanwalt Fritz Bauer mit einer Präzision der Bewegungen, der Haltung und der Sprache, die es einem schwer vorstellbar erscheinen lässt, dass Klaußner sich je anders bewegt oder gesprochen hat. Man spürt seine Präsenz im Raum, ahnt die unerzählten Vor- und Nebengeschichten, die Bauers komplexen Charakter ausmachen, vermeint den Tabak in Kleidung und Fingernägeln förmlich zu riechen, hört in den kurz gebellten Anweisungen eine ganze Welt: die Verwurzelung in der Provinz, die durchdachten Argumentationsketten des Juristen und den knatternden Immer-noch-Kommando-Sound der 50er Jahre.

Fritz Bauer, der Jurist, der Anfang der 60er-Jahre die ersten Auschwitz-Prozesse in Frankfurt durchsetzte und damit die Mauer des Schweigens brach, die Deutschland um die NS-Vergangenheit errichtet hatte, erlebt derzeit eine sehr verdiente Wiederentdeckung. Christian Petzold widmete ihm sein Neo-Noir-Nachkriegsdrama PHOENIX. Giulio Ricciarellis IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS erzählte, inspiriert von Bauer, von einem jungen Mann, der gegen alle Widerstände gegen einen ehemaligen KZ-Wächter ermittelt. In DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER fiktionalisiert Lars Kraume (MEINE SCHWESTERN, DIE KOMMENDEN TAGE) jetzt eine Begebenheit aus Fritz Bauers Leben, die sich vor den Auschwitz-Prozessen zutrug, aber erst nach seinem Tod ans Licht kam: Bauers Beteiligung an der Aufspürung und Verurteilung Adolf Eichmanns.

Deutschland 1957. Der schwäbische Jurist und Sozialdemokrat Fritz Bauer, Sohn jüdischer Eltern, ist nach Verfolgung und Exil nach Deutschland zurückgekehrt. Seit sechs Jahren arbeitet er wieder als Staatsanwalt, seit einem Jahr macht er sich in seiner hessischen Heimat als Generalstaatsanwalt durch die hartnäckige Verfolgung von NS-Tätern unbeliebt. Bauer ist für die alten Netzwerke eine massive Bedrohung: er hat keine Angst vor der alten Garde und kein Problem damit, sich Feinde zu machen. Von ihm stammt der Ausspruch: "Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland." Als ihm ein Hinweis über den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns zugespielt wird, hütet er sich, den Hinweis an die Behörden weiterzugeben. Er weiht nur seinen alten Genossen, den hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn ein und kontaktiert den Mossad. Als er alleine nicht weiterkommt, wendet er sich an Karl Angermann, einen jungen enthusiastischen Staatsanwalt der für ihn arbeitet.
Angermann, gespielt von Ronald Zehrfeld, ist eine der wenigen erfunden Figuren im Kraumes Fritz-Bauer-Universum, ein Vertreter einer jungen Generation, die sehnlichst auf einen wie Bauer gewartet hat, einen der sie nicht mit Lügen abspeist sondern der unangenehmen Wahrheit lieber ins Gesicht sieht und der eine Vorstellung davon hat, wie eine bessere Zukunft aussehen könnte. Einen, der zum Vorbild taugt. In einer Fernsehsendung, die Kraume nachstellt, wird Bauer von ratlosen jungen Leuten gefragt, worauf man denn als Deutscher überhaupt noch stolz sein könne. Bauer, der Ex-Häftling und Ex-Flüchtling, kann die Frage beantworten an der die meisten der Elterngeneration gescheitert wären: auf das, was man selbst geschaffen und aufgebaut hat.

DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER ist ein klug arrangiertes Biopic, ein kammerspielartiger Polit-Thriller, eine Hommage und darüber hinaus auch ein kleines bisschen Buddy-Movie. Sehr zurückhaltend erzählt der Film wie sich zwischen dem lakonischen alten Knochen Bauer und dem jungen, beflissen wirkenden Angermann mit seinem hübschen Allerweltsgesicht Vertrauen bildet. Beide sind Außenseiter in der erstickenden Adenauer-Ära und beide sind die Hoffnung auf eine Zukunft.

Hendrike Bake

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