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Der Sohn der Anderen

Nahost-Konflikt als Bruderzwist

Vor achtzehn Jahren sind ein israelischer und ein palästinensischer Junge bei der Geburt vertauscht worden. Als die Wahrheit heraus kommt, müssen die inzwischen erwachsenen Männer und ihre Familien lernen, mit der Situation umzugehen.

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Bei der Geburt vertauscht: Was für Eltern eine Horrorvorstellung ist, ist dramaturgisch ein interessantes Konstrukt, das zuletzt der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda in LIKE FATHER, LIKE SON als Ausgangspunkt für die Frage benutzte, was wichtiger ist: Vererbung oder Erziehung. In diese Richtung zielt auch die französische Regisseurin Lorraine Lévy mit ihrem Drama DER SOHN DER ANDEREN, der das Konstrukt noch weitertreibt: In einem Krankenhaus im israelischen Haifa wurden einst ein israelisches und ein palästinensisches Baby vertauscht. Achtzehn Jahre später kommt die Verwechslung durch Zufall heraus und stürzt zwei Familien in emotionale und ideologische Verwicklungen. Joseph und Yacine heißen die Söhne, der in Israel Aufgewachsene ist ein musikbegeisterter Freigeist, sein Pendant aus dem Westjordanland lebt nun in Paris und will Arzt werden. Während beide Väter große Probleme mit der Situation haben, sind es die Mütter, die pragmatisch agieren und schnell akzeptieren, nun quasi zwei Söhne zu haben. Und auch die vertauschten Söhne machen das Beste aus ihrer Situation, auch wenn sie von einem Moment zum nächsten nicht nur zu Brüdern sondern auch zu Feinden geworden sind. Doch wie viel des Hasses auf die andere Seite ist anerzogen und wieviel aus der Erfahrung geboren? Wie viel des Wesens der Söhne ist vererbt, wie viel Resultat der unterschiedlichen, aber jeweils auf ihre Weise liebevollen Erziehung? Lévy wirft interessante Fragen auf, die sie bisweilen auch glaubt, beantworten zu müssen, was angesichts des ohnehin nicht gerade subtilen Konstrukts recht plakativ wirkt. Wenn sie dagegen einfach die Situation für sich sprechen lässt, erweisen sich die vertauschten Söhne als treffende Metapher für den Konflikt zweier Nationen, die an sich viel mehr gemein haben, als sie sich oft eingestehen.

Michael Meyns

Details

Originaltitel: Le fils de l'autre
Frankreich 2012, 105 min
Genre: Drama
Regie: Lorraine Levy
Drehbuch: Nathalie Saugeon, Lorraine Levy, Noam Fitoussi
Kamera: Emmanuel Soyer
Schnitt: Sylvie Gadmer
Musik: Dhafer Youssef
Verleih: Film Kino Text
Darsteller: Emmanuelle Devos, Pascal Elbé, Mehdi Dehbi, Khalifa Natour, Areen Omari, Jules Sitruk, Mahmood Shalabi
FSK: 6
Kinostart: 17.09.2015

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